Zur Vorgeschichte der Eisenbahnen im früheren Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. Das frühere Fürstentum
(FT)Schwarzburg-Sondershausen zählte bis 1918 zu den kleineren Herrscherhäusern Thüringens. Es gliederte sich
in drei Gebietsteile: im Norden in den Verwaltungsbezirk Sondershausen und im Süden in die Verwaltungsbezirke Arnstadt und Gehren.In den Südlichen Gebietsteilen wurden vorwiegend Forstwirtschaft und im bescheidenen Maße Feld- und Weidewirtschaft betrieben.Eine Industrie war vor 128 Jahren hier so gut wie nicht vorhandent. Der
Verwaltungsbezirk Arnstadt hatte mit der Eröffnung der Zweigbahn der Thüringer Eisenbahn von Neudietendorf
nach Arnstadt schon 1867 einen Bahnanschluss erhalten.Die Linie wurde 1897 von der Thüringer Eisenbahngesellschaft über Plaue bis Ilmenau verlängert.Der Verwaltungsbezirk Gehren, der im Süden bis kurz vor
Schönbrunn reicht, harte zu dieser Zeit noch einer verkehrsmäßigenn Erschließung durch die Eisenbahn. Bachstein erbaute 1881 als erste Eisenbahn dieses Landesteiles die Strecke Ilmenau-Gehren, die 1883 bis nach
Großbreitenbach verlängert wurde.
Zur Vorgeschichte und zum Bau der Strecke Ilmenau-Großbreitenbach
Schon um 1870 interessierte sich das Ft Schwarzburg-Sondershausen für einen Bahnanschluss des Verwaltungsbezirks Gehren. Es wurde eine Linienführung Schwarza-Königsee-Gehren-Ilmenau konzipiert. Da aber zu dieser Zeit noch keine Möglichkeit eines Netzanschlusses bestand, geriet das Projekt bald wieder in Vergessenheit. Die Situation änderte sich, als die Linie Arnstadt-Ilmenau 1879 eröffnet wurde. Die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft plante, diese Linie über Gehren und Königsee nach Saalfeld weiterzuführen und konzipierte in Erwartung eines größeren Durchgangsverkehrs einen zweigleisigen Ausbau. Noch heute sind die abschnittsweise für ein zweigleisiges Planum geschütteteten Dämme zwischen Plaue und Ilmenau erkennbar und am Viadukt in Angelroda wurden die Widerlager auch für das zweite Gleis ausgeführt. Aber dieses Vorhaben unterblieb, wahrscheinlich schon unter dem Druck der Verstaatlichungsbestrebungen Preußens.
Da Ilmenau nun einen Eisenbahnanschluss hatte, griff Schwarzburg-Sondershausen die alten Pläne wieder auf und versuchte in Verhandlungen mit der Thür. Eis.-Ges. einen Weiterbau der Strecke in Richtung Gehren-Königsee zu erreichen. Die Bahngesellschaft verhielt sich jedoch ablehnend. So suchte die Regierung nach einem anderen Unternehmer, den sie in Herrmann Bachstein, Berlin, fand. Bachstein erklärte zwar seine Bereitschaft zum Bau und späteren Betrieb einer solchen Bahn, wollte jedoch das Risiko des Bahnbaues auf eigene Kosten nicht übernehmen. So mußte sich die fürstliche Regierung entschließen, die Kosten selber zu tragen und die Linie als Staatsbahn erbauen zu lassen. Da der vorgesehene Anschlußbahnhof Ilmenau auf sachsen-weimarischen Staatsgebiet lag, wurde unter dem 29.04.1881 ein Staatsvertrag zwischen beiden Staaten geschlossen der die rechtlichen Fragen regelte. Nachfolgend schloß die fürstliche Regierung mit Bachstein am 01.06.1881 einen Bau- und Betriebsvertrag ab. Bachstein übernahm danach den Bau der Strecke und pachtete die Betriebsführung. Eine Konzession wurde an Bachstein nicht erteilt, da ja die Linie als Staatsbahn gebaut werden sollte.
Am 14.05.1881 gab der schwarzburg-sondershausener Landtag seine Zustimmung zum Bahnbau und am 11.06.1881 wurde die obligatorische eisenbahntechnische und landespolizeiliche Bereisung der künftigen Trasse vorgenommen. Damit waren alle Voraussetzungen für einen Baubeginn geschaffen.
Das Ilmtal, das von der Bahn genutzt wurde, bot keine topographischen Hindernisse, sondern geradezu ideale Bedingungen, die einen schnellen Baufortschritt gestatteten. Außer der Ilmbrücke und der Straßenunterführung in Langewiesen waren keine größeren Kunstbauten notwendig. Nach nur fünfmonatiger Bauzeit war der Bahnbau fertiggestellt. Die landespolizeiliche und eisenbahntechnische Abnahme erfolgte am 12.11.1881. Da diese anstandslos verlief, konnte am nächsten Tag, am 13.November 1881, der planmäßige Reise- und Güterverkehr aufgenommen werden. Bachstein hatte den Bahnbau gegen eine Pauschalsumme von 460.000 M ausschließlich des Grunderwerbs ausgeführt.
Es wurden nachfolgende Bahnhöfe bzw. Haltepunkte an der neuen Strecke eingerichtet:
Ilmenau km 0.00 Höhe über NN 478,46 m
Grenzhammer km 1,96 Höhe über NN 462,57 m
Langewiesen km 3,74 Höhe über NN 449,90 m
Gehren Stadt km 7,66 Höhe über NN 487,11 m
Gehren Bhf km 8,36 Höhe über NN 400,74 m
Die Eröffnung der Bahn wurde gewiss auch feierlich begangen. In den recherchierten Akten fanden sich leider keine Aussagen darüber.
Die Weiterführung der Bahn bis nach Großbreitenbach.
Die Bahnlinie wirkte sich auf die wirtschaftliche Entwicklung des von ihr durchzogenen Gebietes positiv aus. In den von ihr berührten Orten entstanden kleine und mittlere Betriebe der Glas- und Holzindustrie. Die Eisenbahn sicherte ihnen einen billigen Transport der Rohstoffe und Fertigerzeugnisse. Auch in und um Großbreitenbach hatte sich Glasindustrie angesiedelt, die nach günstigen und billigen Transportmöglichkeiten verlangte. Ein Bahnanschluss sollte diese gewährleisten. Man plante, neben der bereits vorgesehenen Weiterführung der Linie nach Königsee eine Stichbahn nach Großbreitenbach zu führen.
Nach dem Abschluss entsprechender Vorarbeiten wurde dem Bau einer Zweigbahn von Gehren nach Großbreitenbach vom Landtag Schwarzburg-Sondershausen am 06.06.1883 zugestimmt. Auch das Projekt nach Königsee-Schwarzburg war zur gleichen Zeit im Gespräch.
Mit Bachstein wurde ein weiterer Bau- und Betriebsvertrag abgeschlossen und in ihm als Inbetriebnahmetermin der 01.07.1884 vereinbart. Diese für Bachstein von vornherein günstige Festlegung versprach ihm zusätzlichen Gewinn, denn bei früherer Inbetriebnahme war ihm der volle Reingewinn ohne staatliche Pachtabgaben vertraglich zugesichert.
So wurde der Bahnbau an mehreren Stellen gleichzeitig begonnen und mit Nachdruck vorangetrieben. Bereits am 12.11.1883, nach kaum halbjähriger Bauzeit, war die Strecke durchgehend befahrbar und die erste Lokomotive traf in Großbreitenbach ein. Die endgültige Fertigstellung war 1883 noch abzusehen, und am 01.12.1883 konnte die Streckenverlängerung feierlich eröffnet werden. Am 02.Dezember 1883 wurde der planmäßige Reise- und Güterverkehr aufgenommen. Die Streckenverlängerung betrug 10,77 km und war von Bachstein gegen eine Pauschalsumme von 558.000 M, ausschließlich Grunderwerb, erbaut worden.
An dem neuen Streckenabschnitt wurden folgende Bahnhöfe und Haltepunkte eingerichtet:
Möhrenbach km 13,76 Höhe über NN 529,36 m
Neustadt-Gillersdorf km 17,26 Höhe über NN 694,54
Großbreitenbach km 20,58 Höhe über NN 663,0
(Die Kilometer-Angaben entsprechen dem Stand von 1930 und später nach dem Umbau des Bhf Gehren, wodurch sich die Gesamtstrecke verlängerte).
Der Bf Gehren wurde ursprünglich als Kopfbahnhof angelegt, rechnete man doch mit einer Weiterführung nach Königsee und sah die Verbindung nach Großbreitenbach nur als Stichbahn an.
Auf dem Bf Möhrenbach wurde eine Schutzweiche, in ein Sandgleis führend eingebaut, um unbeabsichtigt vom Bf Neustadt-‚Gillersdorf talwärts rollende Wagen oder Züge aufzuhalten und so eine Gefährdung des Bfs gehren auszuschließen. Bei jeder Bergfahrt hatten die Züge vor der Weiche anzuhalten und konnten erst weiterfahren, nachdem die Weiche auf den geraden Strang gestellt worden war. Nach der Abfahrt des Zuges war die Weiche sofort wieder in abzweigende Schutzstellung zu legen. Heute ist diese "Sicherungseinrichtung" natürlich längst verschwunden. Ein anderes Kuriosum dieses Streckenabschnitts ist heute noch vorhanden. Es ist die Streckenführung zwischen Neustadt-Gillersdorf und Großbreitenbach, wo die Trasse in zwei weiten Kurven verläuft. Grund dafür war weder ein nur so erzielbarer Höhengewinn oder- wie vielfach vermutet - ein Umfahren sumpfigen Gebietes, sondern allein die "Notwendigkeit, die Streckenlänge Ilmenau-Großbreitenbach auf über 20 km zu "strecken", um einen höheren Güterzonentarif erheben zu können. Diese Begründung erscheint aber doch fragwürdig, denn die Gesamtstreckenlänge Ilmenau-Großbreitenbach betrug bei der Eröffnung nur 19,13 km!
In den recherchierten Akten konnte auch keine konkrete Aussage gefunden werden. Vielleicht können andere Eisenbahnfreunde zu einer abschließenden Klärung beitragen.
Der Verkauf der Bahn an Bachstein
Wie bereits gesagt wurde Bachstein pachtweise die Betriebsführung der "Schwarzburg-Sondershausener Staatsbahn" übertragen. Als Pacht waren jährlich 11.500 M zu zahlen, die sich nach 10 Jahren auf 21.000 M erhöhten. Nach einer bestimmten Frist sollte die Regierung noch die Hälfte aller Bruttomehreinnahmen über 50.000 M bzw. 90.000 M erhalten.
Während der Pachtzeit h hat Bachstein die erwähnten Stichsummen nie erreicht: wieweit dabei manipuliert wurde, bleibt offen. Diese Tatsache war aber schließlich ein ausschlaggebender Grund für die Regierung, ihre Staatsbahn Bachstein zum Kauf anzubieten. Dieser erklärte sich bereit, die Bahn für einen Preis von 825.000 M zu erwerben, was einem Preisnachlass von 193.000 M gegenüber den tatsächlichen Baukosten entsprach. Das war für Bachstein ein großes Geschäft!
Ähnlich verfuhr er auch beim Kauf anderer Bahnen. Der entsprechende Kaufvertrag wurde am 01.06.1884 zwischen beiden Partnern geschlossen und an Bachstein ab 01.07.1884 die fürstliche Konzession zum Weiterbetrieb der Strecke auf unbestimmte Zeit erteilt. Mit gleichem Vertrag erwarb Bachstein auch die Strecke Hohenebra-Ebeleben als weitere fürstliche Staatsbahn. Bachstein war damit in den Kreis der Eisenbahnbesitzer aufgestiegen.
Wie durch ein Wunder wurde schon im 2. Halbjahr 1884 ein Reingewinn von fast 34.000 M erzielt. Die weitere Verkehrsentwicklung verlief nun sehr positiv. Beispielsweise wurden in den Jahren 1885 bis 1888 erhebliche Betriebsüberschüsse erzielt, die den gezahlten Kaufpreis mit 8,93 %, 9,29 %, 10,34 % und 8,78 % verzinsten! Die Betriebsausgaben betrugen nur rd. 46 % der Bruttoeinnahmen. 1888 wurden z.B. 61.199 Personen und 52.793 t Güter befördert und daraus Einnahmen von 36.485 M bzw. 96.919 M erzielt.
An diesen Aussagen und Beispielen wird klar, dass sich die Strecke Ilmenau-Großbreitenbach relativ schnell zu einer gewinnträchtigen Linie entwickelte und nicht wie andere Bachsteinbahnen ihrem Besitzer nur Verluste oder unbedeutende Gewinne einfuhren. Das war auch nicht zuletzt durch die schlechte Bezahlung der "Bachstein-Eisenbahner" möglich, die wesentlich weniger Lohn als ihre Kollegen bei der Staatsbahn erhielten. Diese Tatsache war auch noch bis 1945 zu verzeichnen.
Die Übernahme der Bahn durch die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) und die weitere Entwicklung
Zur Erzielung höherer Profite schlossen sich Eisenbahnbesitzer, Banken und andere Personen zu Konsortien zusammen und gründeten Eisenbahngesellschaften. So entstand auch die SEG durch den Zusammenschluss einer Anzahl privater Eisenbahnen und Straßenbahnen, die im Besitz von Eisenbahnkonsortien waren. An allen in die SEG eingebrachten Bahnen war Herrmann Bachstein als Generalunternehmer beteiligt. Die SEG wurde am 11.02.1895 von dem aus Bachstein und der Bank für Handel und Gewerbe in Darmstadt bestehenden Konsortium und mehreren Privatpersonen gegründet. Sitz und Hauptverwaltung der Gesellschaft war in Darmstadt. Bei der Gründung wurden folgende Bahnen in die SEG eingebracht:
1. Dampfstraßenbahn Darmstadt-Griesheim/Eberstadt/Arheilgen
2. Dampfstraßenbahn Mainz-Hechtsheim/Finthen
3. Pferdebahn Mainz
4. Dampfstraßenbahn und Pferdebahn Wiesbaden
5. Nebenbahn Worms-Offstein
6. Nebenbahn Osthofen-Westhofen
7. Nebenbahn Reinheim-Reicheslheim
8. Nebenbahn Sprendlingen-Wöllstein (-Fürfeld)
9. Nebenbahn Arnstadt-Ichtershausen
10. Nebenbahn Hohenebra-Ebeleben
11. Nebenbahn Ilmenau-Großbreitenbach
12. Elektr. Straßenbahn Essen-Altenessen/Rüttenscheid/Borbeck.
Ab 01.04.1897 kamen noch fünf Bahnen in Baden hinzu, die dem Badischen Eisenbahn-Konsortium, an dem neben drei Bankhäusern auch Bachstein beteiligt war, gehörten. 1904 wurden noch zwei weitere Bahnen konzessioniert und neu eröffnet. Außerdem besaß die SEG noch Anteile an vier weiteren Privatbahnen.
Bis 1945 waren von der SEG insgesamt 7 Bahnen verkauft worden. 1945 wurden die auf dem Gebiet der DDR gelegenen Bahnen der SEG enteignet und am 01.04.1949 von der DR übernommen.
Auch die übrigen Bahnen der SEG auf dem Gebiet der BRD gingen bis 1954 ein und wurden stillgelegt. Der SEG gehörten nur noch die Essener Straßenbahnen. Damit hatte die SEG faktisch aufgehört, ein "Eisenbahn-Unternehmen" zu sein.
Diese vorangestellten Bemerkungen sollten den Status der SEG verdeutlichen. Bachstein brachte u.a. die Nebenbahn Ilmenau-Großbreitenbach in die SEG ein. Mit der Übergabe der Eigentumsrechte an die SEG schloss diese wieder mit der Zentralverwaltung für Sekundärbahnen Herrm. Bachstein einen Betriebsführungsvertrag ab, der 25 Jahre bis 1921 Gültigkeit hatte. Ab 01.04.1921 über nahm die SEG selbst die Betriebsführung, die sie bis 1945 ausübte. Dann wurde die Bahn zunächst vom damaligen Land Thüringen und ab 01.04.1949 von der DR übernommen.
Schon im Jahre 1884, als Bachstein die Bahn kaufte, wurde eine erhebliche Verkehrssteigerung ausgewiesen. 1884 wurden 119.500 Personen und 62.600 t Güter befördert. Für das Geschäftsjahr 1910/11 wurden nachgewiesen: 270.000 Personen und 134.000 t Güter. Höhepunkte waren .B. 1925, als 210.000 t Güter befördert wurden und 1930, als 500.000 Personen die Bahn benutzten. Ein Grund für die hohen Gütertransportleistungen 1925 ist in der Streckenverlegung in Gehren zu sehen, die viele Baustoff- und Erdtransorte erforderte. Für die hohe Personenbeförderung 1930 kann kein Grund gefunden werden. Es wäre gewiss interessant zu wissen, warum in der Zeit der Wirtschaftskrise so viele Personen diese Bahn benutzten und damit Bachstein auch in der schlechten Zeit einen hohen Profit sicherten. Vielleicht sind Eisenbahnfreunden ergänzende Angaben bekannt.
Im Sommer 1900 verkehrten z.B. 4 Zugpaare auf der Gesamtstrecke und 2 Zugpaare auf dem Abschnitt Ilmenau-Gehren Bf. Im Winter 1912/13 sah der Fahrplan ähnlich aus.
Die Zuganzahl blieb in den Jahrzehnten annähernd gleich, auch nach 1945. 1961 waren es 7 + 2 Zugpaare und heute bewältigen immer noch 7 Zugpaare den starken Reiseverkehr.
Viele Projekte einer möglichen Streckenverlängerung über Gehren hinaus nach Königsee-Saalfeld wurden im Laufe der Jahre diskutiert. Besonders Ilmenau war an einer direkten Verbindung nach Saalfeld sehr interessiert, um den reisenden den weiten Umweg über Arnstadt zu ersparen. Die Stadtväter versuchten ihre Wünsche mit allen Mitteln durchzusetzen. So wollten sie z.B. den Grund und Boden für den Bau der Strecke Ilmenau-Schleusingen nur dann bereitstellen, wenn sie die KPEV verpflichtete, binnen 10 Jahre eine direkte Verbindung nach Saalfeld auszuführen. Dieses Ansinnen wurde natürlich abgelehnt. Obwohl Königsee 1899 einen Bahnanschluss von Oberrottenbach/Köditzberg her erhielt, gelang es nicht, die Lücke zwischen Königsee und Gehren zu schließen. Als dies abzusehen war, entschloss sich die SEG - auch unter dem Eindruck ständig steigender Verkehrsleistungen - den Kopfbahnhof Gehren als Zwischenbahnhof in Durchgangsform 1925/27 in Zusammenhang mit ohnehin notwendigen Oberbauerneuerungen umzubauen. Das lästige Kopfmachen der Züge war nicht mehr notwendig und der Verkehr konnte flüssiger gestaltet werden. Die alte Trasse war z.T. nicht mehr zu nutzen und eine neue Linienführung notwendig, in deren Zuge die Straße nach Königsee/Saalfeld und die Wohlrose mit Brücken überquert werden mussten. Daraus ergab sich die heute unbegründet erscheinende Streckenführung vom abseits des Ortes gelegenen Bf Gehren, dessen Standort als Ausgangspunkt einer günstigen möglichen Fortführung so gewählt wurde. In Gehren befanden sich die örtliche Bahnverwaltung und auch die Ausbesserungswerkstatt der Bahn. Durch die Verlegung der Trasse wurde die Gesamtstrecke von 19,13 km um 1,45 km auf 20,58 km verlängert.
Streckenbeschreibung mit geographischen Betrachtungen und Beschreibung der Bahnhöfe
Die Bahn lag in ihrer Anfangsstrecke 2,04 km in der weimarischen Enklave Ilmenau und mit 17,09 km in dem getrennten südlichen Teil der Oberherrschaft des Ft Schwarzburg-Sondershausen und in orographischer Beziehung auf dem Thüringer Wald.
Die Strecke beginnt im Bf Ilmenau. Während die Linie nach Themar den Bf Ilmenau nach rechts in mäßiger Steigung verlässt, schwenkt die Strecke nach Großbreitenbach n weiter Linkskurve in das Ilmtal ein. Die Ilm wird mit einer stählernen Brücke von 10 m lichte Weite überquert. Der noch vorhandene zweite Überbau überführte bis 1946 das südliche Ausziehgleis des Bahnhofs. Sein Planum ist noch erkennbar. Im Bereich dieser großen Kurve wurden 1^927/28 Dammerhöhungen und Gleislageänderungen vorgenommen und auch die Ilmbrücke dabei neu gebaut. Als Grund werden öftere Überflutungen des flachen Bahndammes durch die Ilm vermutet. Dem Lauf der Ilm in östlicher Richtung folgend wird nach 1,95 km der Hp Grenzhammer erreicht. Die Strecke fällt in ostsüdöstlicher Richtung bis zum Bf Langewiesen, wo der tiefste Punkt der Bahn erreicht wird. In Langewiesen befinden sich umfangreiche Ortsgüteranlagen Nach Verlassen des Bfs steigt die Strecke leicht an, verlässt das Ilmtal, kreuzt hinter Langewiesen die F88 und zieht sich am Fuß einer Anhöhe entlang in südöstlicher Richtung zum Hp Gehren (Thür.) Stadt, im km 7,66 gelegen. Der Hp hat für den Reiseverkehr große Bedeutung, da er günstig zum Ort gelegen ist. In einer Linkskurve wendet sich die Trasse in nordöstliche Richtung und erreicht nach 700 m den östlich am Stadtrand gelegenen Bf Gehren im km 8,36. Hier besteht die einzige Möglichkeit der Kreuzung von Reisezügen. Auch Bf Gehren besitzt ausgedehnte Ortsgüteranlagen, wo Kohle, Holz und Flussspat umgeschlagen werden. Hinter Bf Gehren wendet sich die Strecke in weiter Rechtskurve in südlicher Richtung. Dabei werden mit einer Massivbrücke das Wohlrosetal und die F88 überquert. Ohne größere Krümmungen führt die Linie ständig ansteigend am Westhang des Langen Berges entlang. Vom Hp Möhrenbach (km 13,76) geht es weiter hinauf zum Bf Neustadt-Gillersdorf, fast immer in Maximalsteigung von 1 : 30. Nach Durchfahren ausgedehnter Fichtenwälder wird vor dem Bf ein weiterer Einschnitt passiert. Am Ende der Steigung wird er von einer Straßenbr
ücke überspannt, die ein beliebter Standort für Fotografen ist. Im Bf Neustadt-Gillersdorf (km 17,26) wird an der "Hohen Tanne" der höchste Punkt der Bahn erreicht. Der eigentliche Bahnhof liegt von Neustadt 4 km und von Gillersdorf 3 km entfernt. Im Bahnhof ist eine Anschlussbahn zum Glaswerk angebunden. Die Strecke wendet sich nun in östliche Hauptrichtung und führt mit leichtem Gefälle in zwei weiten Bögen zum Endbahnhof Großbreitenbach, der im km 20,58 gelegen ist. Südlich des Bahnhofs erstrecken sich, die Anlagen des Glaswerkes, das ebenfalls eine Anschlussbahn besitzt. Seine umfangreiche Produktion wird fast ausschließlich in Großcontainer verladen und über die Bahn abtransportiert. Am Tage der Jubiläumsfahrt am 23.06.1981 konnten der 55.000 Container vom Werkleiter dem Präsidenten der Rbd Erfurt übergeben werden. Die Lokbehandlungsanlagen existieren heute nicht mehr: die Anschlussbahn wurde im Laufe der Jahre mehrfach erweitert. Den nachfolgenden Bahnhofsbeschreibungen liegt die Situation von 1960 zugrunde. Im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte sind Veränderungen wie Rückbau v on Bahnhofgleisen usw. eingetreten, von denen sich interessierte Leser örtlich selbst informieren können.
Hp Grenzhammer
Gleis 1 = durchgehendes Hauptgleis, am Hausbahnsteig gelegen. Hat kurioserweise auf der gegenüberliegenden Seite eine Ladestraße. Im km 1,7 ist eine Anschlussbahn angebunden
Bf Langewiesen
Gleis 2 = durchgehendes Hauptgleis, Gl. 1 = Reisezuggleis, am Hausbahnsteig. Gl. 3 = Freiladegleis an der Ladestraße II und Güterschuppengleis. Gl. 4 = Freiladegleis an der Ladestraße I und II so wie Rampengleis. Zweigeschossiges Empfangsgebäude als Putzbau mit abgewalmtem Ziegeldach.
Bf Gehren (Thür.)
Gleis 1 = durchgehendes Hauptgleis am Hausbahnsteig, Gleis 2 = Kreuzungsgleis mit Zwischenbahnsteig. Gl. 3 = Güterzuggleis. Gl. 4 = Abstellgleis (Gleiswaage). Gleis 6 ist Verkehrsgleis und Gleis 7 Freiladegleis an der Ladestraße I und Rampengleis der Kombirampe. Gleis 8 ist Rampen-, Freilade- und güterschuppengleis, gleis 9 ist Freiladegleis. Die Gleise 11 und 12 führen zum zweiständigen Rechtecklokschuppen. Gleis 13 ist Abstellgleis. Die Gleise 14 und 15 führen zur fr. Ausbesserungswerkstatt der Privatbahn. Gleis 16 = Lokschuppengleis, gleise 17 und 18 = Abstellgleise. Am Gleis 6 ist eine Anschlussbahn angebunden. Zweigeschossiges Empfangsgebäude als Ziegelrohbau mit zweigeschossigen Erweiterungsbau, der verschiefert ist, und anschließendem Fachwerkgüterschuppen. Lokschuppen und Werkstatt sind Ziegelrohbauten mit flachem Pappdach.
Bf Möhrenbach
Gleis 1 ist durchgehendes Hauptgleis am Hausbahnsteig. Gleis ist Freiladegleis an der Ladestraße. Das Empfangsgebäude ist ein eingeschossiger verschieferter Fachwerkbau.
Bf Neustadt-Gillersdorf
Gleis 1 ist durchgehendes Hauptgleis und hat einen Zwischenbahnsteig. Gleis 2 ist Aufstell- bzw. Verkehrsgleis. Gl. 4 = Freiladegleis an der Ladestraße I. Die Gleise 5 und 6 führen zum Glaswerk . Gleis 8 Freilade- und Rampengleis. Das Empfangsgebäude ist ein zweigeschossiger verschieferter Fachwerkbau mit angebautem Güterschuppen als Ziegelrohbau.
Bf Großbreitenbach (Th)
Gleis 1 ist durchgehendes Hauptgleis am Hausbahnsteig. Gleis 2 ist Aufstellgleis. Gleis 3 dient als Verkehrs-, Gleis 4 als Aufstellgleis. Gleis 5 ist Freiladegleis, Gleis 6 Freilade- und rampengleis und die Gleise 7 und 8 sind Lokschuppengleise. Am Gleis 2 ist zweiseitig die Anschlussbahn des Glaswerkes angebunden. Das zweigeschossige Empfangsgebäude ist ein verschieferter Fachwerkbau mit angebautem Güterschuppen.
Zum Umbau des Bfs Gehren (Thür.) und der damit verbundenen Streckenverlegung folgende ergänzende Ausführungen. (In der Plankammer der Rbe konnte noch der Original-Umbauplan der SEG aus dem Jahre 1924 aufgefunden werden, auf dessen Grundlage nachfolgende Lageskizzen entwickelt wurden.)
Die relativ bescheidenen Gleisanlagen und die Streckenführung sind auf dem Plan gut zu erkennen. Gleis 1 war durchgehendes Hauptgleis und als künftige Fortführung nach Königsee vorgesehen. Gleis diente als Lokumlaufgleis. Gleis 3 war Freiladegleis und Gleis 4 Anschlussgleis zum Sägewerk der Fa. Kirsch & Söhne. Die Gleise 5-7 und 9 waren Abstellgleise und Gleis 8 ebenfalls Freiladegleis. Vom Gleis 1 zweigte das Streckengleis in Richtung Großbreitenbach ab. Nach knapp 300 m wurde ein Mühlgraben und das Flüsschen Wohlrose mittels zwei stählerner Brücken überquert. Nach insgesamt 750 m begann die Steigung 1 : 30 in Richtung Möhrenbach.
1925/27 wurde der Bf Gehren als Zwischenbahnhof in Durchgangsform umgebaut und die daraus resultierende notwendige Streckenverlegung vorgenommen. Eine Weiterführung in Richtung Norden war immer noch ohne Schwierigkeiten möglich und wohl auch immer noch ins Kalkül gezogen. Etwa in Höhe des nördlichen Endes der bisherigen Gleisanlagen wurde die neue Trasse in Richtung Großbreitenbach angebunden. Östlich des neuen Streckengleises wurden die Lokbehandlungsanlagen - die eigenartigerweise vorher nicht vorhanden waren - mit dem zweiständigen Lokschuppen und zwei Kohlebansen angeordnet. Die Gleise 12 und 13 führten zur großen Werkstatthalle, in der alle Fahrzeuge der thüringischen SEG-Bahnen unterhalten und repariert wurden. Von den zahlreichen Abstellgleisen 14-18 ausgehend hat die SEG gewiss mit vielen Reparaturen gerechnet. Die Gleise und Anlagen sind noch heute weitgehend erhalten.
Noch einige Bemerkungen zur Streckenverlegung:
Vom km 8,36 = 0,00 ausgehend schwenkte die Straße mit R = 200 m in südliche Richtung, nach waagerechter Gleislage 1 : 43 auf 430 m fallend. Nach rd. 800 m sollten Brücken üb er die Landstraße und die Wohlrose führen. In diesem Bereich lag das Gleis auf rd. 370 m gerade und waagerecht, später in einer Krümmung mit R = 200 m war mit Steigungen von 1 : 60 auf 530 m, 1 : 120 auf 500 m und 1 : 40 auf 90 m die alte Trasse in Richtung und Höhenlage wieder erreicht. Der Anschlusspunkt befand sich im km 0,75 nach der alten Kilometrierung. Nach Anbindung der neuen Trasse an die alte wurde in km 0,66 ein Prellbock gesetzt. Das alte Streckengleis blieb zunächst noch liegen. Wann es ausgebaut wurde, war nicht zu ermitteln.
Für die Überbrückung des Tales wurden mehrere Varianten erarbeitet. Variante 1 sah die Überbrückung der Straße mit einer stählernen Fachwerkträgerbrücke von 10 m Lichte Weite vor. Nach etwa 25 m Dammschüttung sollte die Wohlrose mit zwei gewölbten Durchlässen von je 5,00 m lichte Weite überbrückt werden. Diese Lösung wurde verworfen, wohl aus Gründen möglicher Überschwemmungen durch Hochwasser. In der zweiten Variante wurde ein Brückenzug mit drei stählernen Überbauten mit hochliegender Fahrbahn konzipiert. Der erste Überbau von 10 m lichte Weite überbrückte die Straße. Zwei Überbauten von je 20 m lichter Weite waren als Flutbrücke und Wohlrosebrücke ausgewiesen.
Aber auch diese Lösung wurde verworfen und im Jahre 1926 eine dritte Variante ausgearbeitet, die auch zur Ausführung kam. Die Straßenüberbrückung geschah durch einen Walzträgerüberbau in Beton: das Tal wurde durch drei Bögen von je 12,60 m lichte Weite und rd. 6,50 m Scheitelhöhe überspannt. Die Brücke wurde in Stampfbeton errichtet.
Die Betriebsmittel der Bahn
Die Bahn besaß bei Übernahme durch Bachstein 1884 folgende Betriebsmittel:
3 C-gekuppelte Tenderlokomotiven
2 BC-Personenwagen, zweischeig
2 kombinierte C-/Packwagen, zweischeig
4 gedeckte Güterwagen, zweischeig
13 offene Güterwagen, zweischeig.
Es muss sich um folgende Lokomotiven gehandelt haben:
CARL GÜNTHER (Cn2t, Henschel 1881/1286) vor 1920
GEHREN (Cn2t) Henschel 1881/1286) vor 1920
GROSSBREITENBACH (Cn2t, Henschel 1883/1700) vor 1920
Die C-gekuppelten Tenderlokomotiven zeigten sich dem gestiegenen Verkehr, besonders zwischen Gehren und Großbreitenbach, nicht mehr gewachsen und wurden 1927 durch D-gekuppelte Maschinen ersetzt. Insofern sind die Angaben bzgl. Der Ausmusterung der C-Lokomotiven vor 1920 anzuzweifeln. Mit welchen Maschinen wurde sonst bis 1927 der Betrieb abgewickelt? Diese Frage wird wohl heute kaum noch beantwortet werden können.
Die Bahn besaß 1940 folgende Betriebsmittel:
7 Tenderlokomotiven,
2 Packwagen,
14 Personenwagen,
74 Güterwagen (davon 68 im Rb-Park).
Im Jahre 1949 wurden durch die DR folgende Lokomotiven übernommen:
SEG Nr. | DR-Nr. | Gattung | Bauart | V max. | Baujahr | Fabr.-Nr. |
268 | 89 6023 | Gt 33.10 | Cn2t | 45 km/h | 1914 | 13024 |
385 | 92 6584 | Gt 44.14 | Dh2t | 40 km/h | 1927 | 20871 |
386 | 92 6585 | Gt 44.14 | Dh2t | 40 km/h | 1927 | 20974 |
387 | 92 6586 | Gt 44.14 | Dh2t | 40 km/h | 1927 | 20987 |
400 | 91 6580 | Gt 34.15 | 1Ch2t | 60 km/h | 1938 | 23877 |
Alle Maschinen wurden von Henschel, Kassel, geliefert, bis auf die Lok 268 Diese wurde im Gesamtlokverzeichnis der SEG nicht mit aufgeführt. Gehörte sie ursprünglich einer anderen Bahn? In Gribl/Schadow wird sie auch als Lokomotive der Ilmenau-Großbreitenbacher Eisenbahn nachgewiesen. Wer irrte nun in diesem Falle?
Außer der Lok 89 6023 waren alle Lokomotiven am Stichtag 31.12.63 noch im Bestand der DR. die D-Tenderlokomotiven hatten einen Dampfdom und einen Sandkasten unter gemeinsamer Verkleidung und einen schlanken konischen Schornstein mit fast mittig angeordnetem Ring.
Nach 1949 erwiesen sich auch die Vierkuppler als zu schwach und wurden zunächst durch Lokomotiven der BR 945-16 ersetzt. In der Zugkraft erwiesen sie sich als ausreichend, mussten aber nach kurzer Einsatzzeit wieder abgezogen werden, da es wegen zu geringer Gleisradien vielfach zu Entgleisungen kam. Die Lokomotiven der BR 94 5-12 versprachen eine bessere Kurvenläufigkeit und bewährten sich auch bis zu Beginn der sechziger Jahre auf der Strecke. Mitunter wurde auch Lok der BR 86 beobachtet, aber nur kurzfristig als Ersatz oder für Sonderleistungen. Die 93er wurden durch die Neubaulok der BR 65.10 abgelöst.
Diese - wie fast alle auf der Strecke eingesetzten - im Bw Arnstadt beheimateten Maschinen versahen bis Mitte der siebziger Jahre ihren Dienst. Im September 1977 wurde mit der 65 1042 diese Baureihe aus dem Plandienst auf der Strecke Ilmenau - Großbreitenbach verabschiedet. Seitdem sind Triebfahrzeuge der BR 118 2-4 im Einsatz und versehen ihren Dienst zur vollen Zufriedenheit.
Auch der Wagenpark wandelte sich nach 1949. Die SEG-Wagen machten nach und nach einheitspersonenwagen Platz. Auch diese sind inzwischen verschwunden. Seit 1976 verkehren Reko-Wagen der Gattung Bag und Baag, außerdem täglich ein Zugpaar aus Obz, DBmue oder Bghws. Im Zuge der Kraftstoffeinsparung werden Rz in zunehmendem Maße als Gmp gefahren.
Schlussbemerkungen
Mit diesem Beitrag wurde versucht, der wechselvollen Geschichte dieser früheren Privatbahn nachzugehen. Manches interessante Detail wird noch in Archiven oder anderswo verborgen sein. Ergänzende Hinweise von Eisenbahnfreunden werden daher gern entgegengenommen.
Die Perspektive der Strecke liegt besonders im Güterverkehr. Neben weiteren Verlagerungen von Transporten von der Straße auf die Schiene geht es künftig darum, die steigende Produktion der Betriebe im Einzugsbereich durch die Eisenbahn abzutransportieren.
Eine Reise auf die Höhen des Thüringer Waldes ist für jeden Eisenbahnfreund erlebnisreich und wird ihm unvergeßliche Eindrücke vermitteln, zumal man sich die frühere Privatbahn-Atmosphäre an vielen Einzelheiten noch gut vorstellen kann.